Bio

Photos by Andrea Küppers.

 

Tilo Weber (*1990, Aachen) ist Schlagzeuger, Perkussionist, Komponist, Arrangeur, Pädagoge und Labelmanager. Er lebt und arbeitet in Berlin.

 

Biografie von Wolf Kampmann:

 

Musik

Drummer erkennt man, weil sie laut sind. Tilo Weber ist leise. Und doch hat er eine Präsenz wie kaum ein zweiter Schlagzeuger aus deutschen Landen. Er steht selten im Vordergrund und hinterlässt trotzdem überall seine Spuren. Der Markenkern des sanften Hünen mit dem langen Bart und der charakteristischen Brille ist eine hintergründige Kraft, die mehr aus dem Geist als aus den Muskeln entspringt. Im künstlerischen Anspruch ein Schüler des großen Paul Motion, kommt es ihm oft eher auf das an, was er weglässt, als auf das, was er auf direktem Wege sagt. Dabei nimmt er sich nicht einmal aktiv zurück, sondern das entspricht seinem Wesen. Denn – für einen Mann der Trommelstöcke selten genug – Präsenz ist für ihn kein Synonym für Action.

1990 in Aachen geboren, entdeckte er den Jazz als Teenager durch seinen ersten Schlagzeuglehrer. Jahre später studierte er am Jazzinstitut Berlin bei John Hollenbeck. Eine gute Adresse, denn auch in Hollenbeck gehen Schlagzeuger und Komponist, Akteur und Denker eine Symbiose ein, die dieser an seinen Schützling weitergab. Am Jazz Institut lernte Weber auch den amerikanischen Vibrafonisten David Friedman kennen, der sein mentor wurde und mit dem ihn seither eine enge Zusammenarbeit verbindet. Beide betreiben gemeinsam das Label Malletmuse. Die Liste der Musikerinnen und Musiker, mit denen Weber seither zusammenarbeitete, ist lang. Besonders hervorzuheben sind Clara Haberkamp, in deren Trio er lange Zeit entscheidende Impulse setzte, und der Saxofonist Otis Sandsjö, mit dem er in verschiedenen Konstellationen wie beispielsweise Y-Otis spielt. 2016 erschien sein Debütalbum „Animate Repose“ (Shoebill Music), seit 2018 arbeitet er mit der Gruppe Four bzw. Five Fauns, mit der er sehr feinfühlig unterschiedliche Kombinationen von Jazz mit Renaissance- oder Kammermusik austariert. Auf dem Soloalbum „Rilke Revisited“ (2020) rezitiert Weber, nur von seinem Schlagzeug untermalt, Gedichte von Rainer Maria Rilke. Der Poet der Sticks trifft den Poet der Worte.

Bei all seinen Projekten geht es Tilo Weber immer darum, musikalische Zusammenhänge zu schaffen und niemals allein ums Trommeln. Ein wendiger Geschichtenerzähler, unterspielt er seine Storys eher, als sie zu überspielen. Der entscheidende Fingerzeig war ein Rat seines Lehrers John Hollenbeck. „John sagte mir, je mehr er komponiert, desto weniger virtuos und mehr transparent trommelt er, damit er seine eigene Musik auch hören und genießen kann. Diesen Effekt spüre ich in den letzten Jahren auch immer stärker bei mir selbst. Ich spiele zu meiner eigenen Musik so, dass ich sie selbst genießen kann. Auch wenn ich solo spiele, ist es immer noch ein Austausch mit der Umwelt.“

Selbst wenn Tilo Weber spontan und völlig frei improvisiert, geschieht das immer aus der Perspektive des Komponisten. Nichts passiert bei ihm zufällig, alles ist Bestandteil eines größeren Zusammenhangs. Im gemeinsamen Spiel mit Anderen ist sein Drumsound oft die Grundierung der Klangfarben seiner Kompagnons – was sein eigenes Spiel keineswegs schwächer, sondern umso expressiver macht. Für Weber selbst ist die Trennwand zwischen Improvisation und Komposition sehr durchlässig. Es geht ihm darum, sich auf die Musik einzulassen und aus sich selbst heraus zu spüren, was sie jeweils braucht. Viel mehr als die Entscheidung zwischen Komposition oder Improvisation steht für ihn die Frage nach dem Umgang mit dem Material im Vordergrund.

All das soll nicht heißen, dass der geborene Minimalist, der nur ganz wenig braucht, um ein Höchstmaß an Timbres zu kreieren, wenn es drauf ankommt, nicht auch kräftig auf die Felle kloppen kann. „Das Schlagzeug war immer mein Hauptinstrument“, bekennt er ohne Umschweife. „Ich liebe das Schlagzeug. Dadurch, dass ich nie auf demselben Level ein Melodie oder Harmonieinstrument spielen konnte, musste ich meine eigenen Wege finden, wie ich für andere Instrumente schreibe, ohne dass es das Klischee der ‚Drummer-Musik’ erfüllt. Ich nähere mich anderen Instrumenten aus meiner Welt an, nicht umgekehrt.“

In dieser Hinsicht ist Webers Musik von Anbeginn bis jetzt in einem ständigen Prozess des Suchens, Verortens, Zu- und Loslassens begriffen. Was immer er tut, öffnet die Tür zu etwas Neuem und befreit den Richtungssinn für das Nächste, das dann wieder etwas komplett Anderes sein kann. Weber liegt es nicht, sich festzulegen. Das Musizieren im Augenblick schließt stets die Frage nach dem Danach ein. Das Leben mit all seinen Facetten ist für Weber viel zu reich, als das er sich mit einem Idiom, einer Gangart oder einem Sound begnügen würde. Für Kammermusik ist er ebenso offen wie für freie Improvisation, elektronische Musik, Pop, HipHop oder Swing. Die Landkarte seiner musikalischen Statements ist mit immer mehr kleinen roten Stecknadelköpfen gespickt, deren Verortung ausnahmslos Sinn in der Topografie seiner Aktivitäten ergibt. Ohne Scheuklappen sucht er stets das Risiko, sich über an ihn gesetzte Erwartungen hinwegzusetzen und diese im Extremfall auch zu enttäuschen.

Für 2023 steht die Veröffentlichung des ersten Albums von Webers neuem Trio Tesserae auf dem finnischen Label We Jazz Records an. Auf diesem trifft er sich mit Elias Stemeseder an Cembalo und Synthesizern sowie Petter Eldh an Bass und Gitarre. Er selbst offenbart sich hier auch auf dem Vibrafon, das er vor allem deshalb liebt, weil er darauf fernab aller virtuosen Ambitionen langsam spielen und die Töne lange liegen lassen kann. Die acht Songs des Albums, deren Titel ein Gedicht ergeben, sind von einer transparenten Geschmeidigkeit und transzendentalen Schönheit, die man so nur ganz selten findet. Die gegenseitige Durchdringung von Komplexität und Zugänglichkeit erreicht dabei ein völlig neues Niveau in Webers Gesamtwerk. Der Drummer hegte schon lange den Wunsch eines eigenen Klaviertrios, mit dem er sich nun souverän von den Limitierungen dieser Konstellation emanzipiert.

Am Vibraphon und weiteren Metallophonen präsentiert sich Tilo Weber auch in einer weiteren neuen Formation, dem zeitgenössischen Trio Ensemble Du. Für die beiden Sopranistinnen Pia Davila und Almut Kühne vertonte Weber Aphorismen des jüdischen Religionsphilosophen Martin Buber aus seinem berühmten Werk “Ich und Du“.

Tilo Weber versteckt sich niemals hinter seiner Musik. Er öffnet stets die gigantischen Flügeltüren seines Herzens und lässt den Alltag hinein. Was in seinem Leben passiert, passiert auch in seiner Musik. Jedes Konzert und jedes Album, an dem er beteiligt ist, ist eine Reise durch die abstrahierte Wirklichkeit des Lebens auf allerhöchstem emotionalem, konzeptionellem und selbstreflektiertem Niveau.

Namen

Konzerte, Studioproduktion und Videoaufzeichnungen führten ihn mit David Friedman, Christian Wallumrød, Peter Brötzmann, Otis Sandsjö, Petter Eldh, Clara Haberkamp, Rudi Mahall, Chris Dahlgren, Mircea Tiberian und der NDR Bigband zusammen und zudem auf die Bühnen nationaler (u.a. JazzBaltica Festival) und internationaler Festivals (u.a. Saalfelden Jazzfestival, Oslo Jazzfestival, London Jazzfestival).

Tilo Weber ist Schlagzeuger der Popbands von And The Golden Choir (Tobias Siebert), Liv Solveig und Keno. Er arbeitete zudem mit Produzent Olaf Opal und ist als Studiomusiker auf den Alben von Magdalena Ganther, Liv Solveig, Mister Me und Darcy zu hören.

Seit 2017 trommelt Weber auch in den erfolgreichen Produktionen “Panikherz” und “Eine Familie” des Regisseuren und Intendanten Oliver Reese am Berliner Ensemble.

Fakten

Tilo ist Endorser für Stöcke und Mallets von INNOVATIVE PERCUSSION und unterrichtet an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HfMT).

Tilo Weber studierte von 2009 bis 2014 Schlagzeug am Jazz Institut Berlin bei Prof. John Hollenbeck und von 2015 bis 2017 Komposition bei Prof. Ruta Paidere an der Hochschule für Musik und Theater Hamburg. In dieser Zeit war er Stipendiat der Dr. E. A. Langner Stiftung. 2017 nahm er Unterricht in “klassischem Schlagwerk” bei Prof. Dr. H.C. Bernhard Wulff in Freiburg. Zu seinen weiteren Schlagzeuglehrern zählten Christoph Hillmann, Steffen Thormählen und Harald Ingenhag.

Als aktiver Bestandteil der Jazzszene Berlin eint Weber Improvisation mit Komposition und bewegt sich damit in der Freien Musik ebenso wie in der Indie Pop Szene. Zusammenarbeiten mit Greg Cohen, Peter Brötzmann, Rudi Mahall, Chris Dahlgren, Tobias Siebert und der NDR Bigband führten ihn zu nationalen (u.a. JazzBaltica Festival) und internationalen Festivals zahlreicher Genres.


Tilo Weber (*1990 Aachen, Germany) is a drummer and composer working in Berlin.

He received the Deutsche Jazzpreis in 2022 for the arrangement of the year.

He writes music for his own bands Four Fauns and takes the drum chair in bands such as The David Friedman Generations Trio and Generations Quartet, And the Golden Choir, and Y-Otis.

In 2017 Tilo Weber and David Friedman founded their own label Malletmuse Records.

Tilo is endorsing sticks from INNOVATIVE PERCUSSION and teaches at the university Hochschule für Musik und Theater Hamburg (HfMT).

Tilo Weber studied drums at the Jazz Institut Berlin from 2009 to 2014 with Prof. John Hollenbeck and Composition at the University for Music an Theater Hamburg from 2015 to 2017 with Prof. Ruta Paidere. In 2017 he studied classical percussion with percussionist and composer Prof. Dr. Bernhard Wulff in Freiburg. He also studied privately with Christoph Hillmann, Steffen Thormählen und Harald Ingenhag.

Collaborations with Greg Cohen, Peter Brötzmann, David Friedman, Rudi Mahall, Chris Dahlgren and Tobias Siebert bring him to the national stage (JazzBaltica Festival) and international festivals of various genres.

From 2015 to 2017 he received the Dr. E. A. Langner Scholarship in Hamburg and worked with the NDR Big Band.

Since 2017 Tilo Weber also plays drums at the famous Berliner Ensemble for the plays “Panikherz” and “Eine Familie”.

Debut Release of Animate Repose at shoebill music exclusively on 12″ Vinyl.

Press
Quotes
"Tilo Weber is a drummer, but that statement might be misleading because he’s also much more than that! While other drummers manifest themselves through their own physicality, Weber constantly seeks to explore the space in between: the untold that reveals itself between two sounds or beats. Amongst drummers, this is a rare gift, which makes Tilo Weber a much sought-after accompanist for young rising stars such as pianist Clara Haberkamp or vibraphonist Simon Kanzler. However short a time he might have spent as an active musician on the European jazz scene, he has already shown great confidence and ability in choosing his preferred methods of self-expression."

- Wolf Kampmann -
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